(Anmerkungen zum Rechnungsabschluss 2020 im Bereich Kultur, am 28.7.2021)
Zunächst möchte ich mich einmal bedanken, dass der Kulturbericht 2020 heuer vergleichsweise früh zugestellt wurde!
Danke an die MitarbeiterInnen der MA7. Ich weiß wieviel Arbeit hinter diesem Bericht steckt.
Was lesen wir aus dem Kulturbericht an Positiven:
– Förderungen wurden trotz COVID Verschiebungen und Begrenzungen von Events weiter ausgezahlt. Danke dafür!
– Die unkompliziert adhoc entwickelten COVID Stipendien sind breit angenommen worden – an die 3000 Personen haben dafür eingereicht – immerhin 2 310 Stipendien konnten vergeben werden! Damit ging ein Betrag von ca 6,3 Mio direkt an die KünstlerInnen und Künstler – das war wirklich gut.
Ich freue mich sehr, dass das letzten Jahr gelungen ist. Und bedanke mich hier für die Arbeit der Stadträtin Veronica Kaup Hasler und damaligen dem Kultursprecher der Grünen Martin Margulies für die Initiative und ein besonderer Dank noch einmal an die KollegInnen in der MA7, die all diese zusätzlichen Förderanträge professionell abgewickelt haben.
Was dieser Antrag an die Stipendien gezeigt hat, ist, dass – nicht nur im COVID Jahr – eine Kulturförderung, die sich vor allem an EVENTs orientiert, nicht sehr nachhaltig ist.
Wir haben es gesehen: wenn die Häuser geschlossen werden, wenn Zusammenkünfte gesundheitliche Gefahren bieten zeigen sich die prinzipiellen Schwächen der Kulturförderung:
Wir haben institutionalisierte KünstlerInnen und Künstler, die an Häusern oder in fixen Strukturen verankert sind. Die können wir gut auffangen. Da gibt es – mit ein bissl Kreativität – Möglichkeiten, damit trotz der Krise, die Existenz gesichert ist, zumindest was die Fixkosten betrifft.
Und dann gibt es die eh oft schon prekär arbeitenden Freien und auch viele kleinere Vereine, deren Existenz auch in guten Zeit auf viel Engagement und Selbstausbeutung beruht. In schwierigen Zeiten, wenn das Einkommen über die künstlerische Tätigkeit wegfällt und das Einkommen über andere Brotjobs (zB. in der Gastronomie) auch wegfällt, stehen sie plötzlich vor dem Nichts.
Die Covid Stipendien waren hier ein erster Schritt,
- wenn wir in Zukunft mehr Resilienz,
- mehr Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb erhalten wollen,
- wenn wir die lebendige vielfältige Szene in Wien,
- die Möglichkeiten für Experimente,
- wenn wir Wien als Schmelztiegel der Kreativität,
- Wien als Stadt für künstlerischer Innovation und kulturelle Vielfalt erhalten wollen,
- dann müssen wir auch über die Zukunft nachdenken.
Es braucht ein Nachdenken, wie man mehr Nachhaltigkeit in die Kultur-Föderlandschaft bringen kann: Wie man vom Druck des ewig neuen dauernden Neu-produzieren weg kommen kann,
wie Künstlerinnen und Künstler – Kulturtätige, wie es jetzt heißt – wie Kulturtätige aus der durch Förderkriterien verursachten Gehetztheit herauskommen.
Und welche Schwerpunkte die Stadt in Zukunft legen will:
- Wie positionieren wir uns gegenüber den Bundesinstitutionen?
- was zeichnet Wien als Stadt der Kultur aus?
- wer soll mit den Produktionen hier angesprochen werden?
- wer soll sich kulturell äußern können?
- welche Diskurse wollen wir verstärken?
Lauter Fragen, die in der Erarbeitung einer Kulturstrategie, einem Kulturentwicklungsplan für Wien gestellt werden.
Hoffentlich können wir sie mit dem Kulturentwicklungsplan auch beantworten.
Ein Versuch ist es jedenfalls wert.
Wir müssen das Spezifische am Wiener Kulturangebot heraus zu arbeiten, um auch in Zukunft Kulturhauptstadt in Europa sein zu können.
Man muss es zu mindest versuchen.
Am besten mit möglichst vielen Kulturtätigen aus Wien und natürlich auch mit Ideen aus anderen Ländern.
Deshalb bringen wir hier heute einen Antrag zum Aufsetzen eines partizipativ erarbeiteten Kulturentwicklungsplans für Wien ein.
Und noch ein Thema fällt auf.
„FAIR PAY für alle“ ist eine alte Forderung der Interessensgemeinschaften aller Kultursparten
Fair Pay heißt einerseits, dass es prinzipiell möglich ist von dem Honorar für seine Arbeit die Existenzkosten abzudecken, dass ist bei aller Bemühung im Kulturbereich oft nicht der Fall – In meiner letzte Rede vor Weihnachten dazu hab ich das ausgeführt – und dann hat es noch einen anderen Aspekt:
Es geht bei fair pay auch um Gendergerechtigkeit – oder herunter gebrochen darum wieviel Geld Frauen vom Kuchen der Förderungen bekommen.
Kurz gesagt, ich verrate es vorab, es schaut auch 2021 noch nicht so gut aus:
Im Filmbereich hat sich die Gruppe FC Gloria jahrelang eingesetzt, um konkret Förderquoten für Frauen zu erreichen. Sie haben selbst Studien gemacht und detailliert aufgelistet – wo die Probleme liegen.
„Der Gender Report zeigte das, was wir bei FC Gloria schon lange sagen: es handelt sich um ein strukturelles Problem, denn wo mit wenig Geld gearbeitet wird, ist die Geschlechtergerechtigkeit besser als dort, wo es um höhere Budgets geht.“ (zit nach: https://www.austrianfilms.com/interview/katharina_mueckstein/film_gender_report/2012_2016)
Ein erster Erfolg ist, dass mit 1. Juli ein neues Modell zur Fördervergabe des Österreichischen Filminstituts in Kraft tritt. „Die Verankerung von ‚Gender-Budgeting‘ in den Förderrichtlinien des Österreichischen Filminstituts wird entscheidend zu Gleichstellung, Chancengleichheit und Vielfalt in der Filmbranche beitragen“, bemerkte dazu Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Obmann des Fachverbands der Film- und Musikwirtschaft. „Ziel ist es, für 2021 und 2022 mindestens 35 Prozent und im Jahr 2023 mindestens 40 Prozent der Fördermittel unter den Gesichtspunkten von „Gender Budgeting“ zu vergeben.“
Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, dem zähe Verhandlungen vorausgingen.
Und was noch wichtiger war: es gab konkrete DATEN:
- wieviele Frauen bekommen Projekte,
- wie hoch sind die tatsächlichen Beträge,
- die den Frauen für ihre Projekte zugestanden werden
konkret aufgelistet in Zahlen.
Und siehe da, wenn man so genau hinsieht, fällt auf, dass es da deutliche Mängel gibt. Produktionen von Frauen wurden weniger wichtig eingeschätzt und erhielten dadurch auch weniger Geld … dem begegenet der österr. Filmfonds jetzt mit „Gender Budgeting“ in den Förderkriterien!
Ähnliches berichten auch die Frauen von „Kill the Trauerspiel“ – eine Gruppe die sich für Geschlechtergerechtigkeit und Diversität auf und hinter den Bühnen einsetzt.
Sie beschäftigen sich mit unterschiedlichen Verdienst und Auftrittsmöglichenkeiten von Kulturtätigen im darstellenden Bereich: Schauspielerinnen, Regisseurinnen, Intentantinnen – je höher die Verdienstmöglichkeit, desto geringer der Frauenanteil. Das gilt auch im Theater, im großen wie im kleinen.
Zum Beispiel konnte das Theater der Jugend für die vergangene Saison keine einzige Regisseurin finden. Keine einzige Regisseurin in allen Produktionen im Renaissancetheater und im Theater im Zentrum.
Das entspricht nicht der Anzahl der Studierenden.
Das ist ein Missstand.
Das passiert, wenn man nicht hinsieht.
Natürlich macht das kein Intendant absichtlich.
Aber wir brauchen ein Instrumente, um auf sowas aufmerksam zumachen, um sowas zu verhindern.
Was können Instrumente dafür sein? Statistische Zahlen – genaue DATEN zum Beispiel.
Derzeit sind derart detaillierte Daten leider nicht aus dem Kulturbericht herauszulesen.
Wenn wir im Bericht einen groben Überblick bekommen, ob Frauen oder Männer eine „Leitungen“ innehaben.
Leider ist nicht ausgewiesen, wer die künstlerische und wer ein geschäftsführende Leitung hat.
es ist nicht ausgewiesen, wieviel die jeweilige Person tatsächlich verdient.
Bei den Großbühnen Wien zeigt der Kulturbericht zB. nur an, dass wir tatsächlich hier 5 Förderungen vergeben: in der Leitung befinden sich 2 Frauen und 9 Männer – das ist für die unvoreigenommene Leserin schwierig zu interpretieren: 11 Personen leiten offenbar 5 Häuser – aber wer genau tut dort was und vor allem, wer verdient da wieviel?
Ja, wenn es, um öffentliche Gelder geht, muss transparent sein, wie hoch ein Leitunsgsjob dotiert ist , inkl. der Überstunden und andere Gratifikationen.
Alle Genderbudget-Expertinnen wissen, dass es genau hier harckt. Nicht im Überblick – sondern im Detail.
Wenn wir – was demokratisch notwendig ist – wollen, dass die Fördergelder entsprechend der gesellschaftlichen Verteilung an Frauen und Männern vergeben werden, wenn wir als Stadt im 21. Jahrhundert dahinter stehen, dass Männer und Frauen gleichberechtig sind, dann müssen wir uns der Herausforderung stellen:
Das ist keine Kritik an den Mitarbeiterinnen der MA7, die haben sich nach besten Gewissen bemüht aufzuzeigen, was da ist. Aber wir haben einfach nicht genug konkrete Daten.
Hier gehts um die Kriterien für die Datenerhebung. Wir brauchen differenzierte Kriterien.
In New York hat es die Förderpolitik geschafft – von jedem Antragsteller und jeder Antragstellerin konkrete Daten zu erhalten. Damit haben sie einen Überblick über die tatsächlich erreichten Förderziele erhalten. In den kapitalistischen USA war das möglich.
Unser Ziel in Wien muss sein:
Zuerst Daten erheben und dann Förderkriterien anpassen!
Und ja, es braucht das nicht nur einmal – sondern konsequent – regelmäßig, um Entwicklungen zu sehen und evt. gegensteuern zu können.
Der Bund hat sich schon im November letzten Jahres darauf geeinigt, derartige, genaue (!!!) Daten zu erheben.
Das sollten wir in Wien doch auch schaffen.
Deshalb stellen wir hiermit den Antrag auf die Wiedereinführung eines ausführlichen Gendermonitoring für den Kulturbereich in Wien.
Ich bitte um ihre Zustimmung.
Und noch ein letztes Zukunftsthema möchte ich ansprechen:
Wien will neue Orte für Kreativität schaffen:
Daher sollten wir darüber nachdenken, wie wir die Räume und Häuser, die schon da sind, wie diese Räume, die sich schon im Besitz der Stadt befinden für kulturelle Nutzungen zugänglich machen können. Bevor wir diese schon im Besitz der Stadt befindliche Gebäude billig verschärbeln.
Das Jagdschloss Magadelenenhof ist zum Beispiel so ein Haus – ja, es ist ruhig gelegen – aber gibt es nicht viele Projekte, die genau so eine Ort suchen, wo man konzentriert an einem Thema arbeiten kann?
Ich sag nur Sanatorium Purkersdorf, oder das Südbahnhotel am Semmering….oder die Bespielung des Cobenzl
Der Magdalenenhof ist denkmalgeschützt. Er hat eine lange Geschichte und er hat als Positivum ein Landgut, einen Gastronomiebetrieb direkt in der Nachbarschaft – das heißt er wird frequentiert – täglich!
Es ist ein Ort, der sicher ein bissl Kreativität braucht, aber er könnte ein kulturelles Kreativ-Märchenschloss werden.
Wir wollen, dass man solche Kleinodien für zukünftige Generationen erhält und nicht von Oligarchen privatisieren lässt.
Daher stellen wir noch einen dritten Antrag am heutigen Tag: Den Antrag zur Erhaltung des Magdalenenofs – natürlich inkl. eines kreativen Nutzungskonzepts!
Wir hoffen auf ihre Zustimmung.
Danke für ihre Aufmerksamkeit.
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