Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kinder, die ihr heute diese Sitzung im Gemeinderat besucht,
Was ist ein Kind ?
Das ist die erste Frage, die sich an an einem Tag wie heute stellt.
Und warum braucht es eigentlich spezielle Rechte – reicht die Menschenrechtskonvention aus 1948 nicht aus, um alle – also auch Kinder ausreichend zu schützen –
Nein, tut sie leider nicht, oder hat sie nicht getan.
Wir vor allem in Westeuropa bezeichnen uns gerne als moderne zivilisierte Gesellschaft, wir glauben wir hätten längst alle rüde Gewalt überwunden – und sind dann täglich entsetzt, wenn wir wieder von einem Übergriff in der Zeitung lesen – am schlimmsten ist – zumindest für mich, wenn Kinder von der Gewalt betroffen sind ….
Ja, ein Jubliäum, nämlich 30 Jahre Kinderrechtskonvention – verführt dazu kurz zurückzublicken.
Was also ist ein Kind und warum wollen wir es schützen?
Historisch – also bei den Römern war ein Kind ein „infans“ also einer oder eine die nicht spricht – irgendwie waren die ganz jungen schon Schutzbedürftig aber mit 7 war es zu Ende mit der Schutzphase, ab 7 Jahren galt ein Kind im Grunde als kleiner Erwachsener.
Kinder waren einfach der Besitz des Vaters: er bestimmte über das Leben des Kindes, seine Ausbildung und seine Arbeit. Erst mit der Einführung der Schulpflicht für ALLE Kinder begann man in westlichen Industriegesellschaften zwischen dem Lebenwelten von Kindern und Erwachsenen zu unterscheiden.
Am Anfang des 20 Jahrhunderts nach der Erfahrung des ersten Weltkriegs und dessen verheerenden Auswirkungen insbesondere auf Kinder entwarf die Britin Eglantyne Jebb, die Begründerin des Save the Children Fund, eine Satzung für Kinderrechte, die Children’s Charter. Diese ließ sie dem Völkerbund in Genf zukommen, der sie 1924 in der Genfer Erklärung festschrieb.
Erst 25 Jahre später nach Ende des 2. Weltkrieg am 20. Nov. 1959 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nation eine Erklärung, die das Recht auf einen Namen, eine Staatszugehörigkeit und auf unentgeltlichen Unterricht für jedes Kinde verlangte – Diesem 20. November vor 60 Jahren verdanken wir den heutigen internationalen Tag der Kinderrechte.
Und es dauerte weitere 30 Jahre bis zum 20. November 1989 um eine Kinderrechts-Konvention zu verabschieden – die alle unterzeichnenden Staaten in 54 Artikeln verbindlich verpflichtet die bürgerlichen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte aller hier lebenden Kinder zu achten und zu verteidigen. Dazu zählen Rechte auf Bildung, Gesundheitsversorgung, Schutz vor Gewalt und Ausbeutung sowie Selbst- und Mitbestimmungsrechte, zum Beispiel Meinungsfreiheit und Partizipation.
Die UN- KinderrechtsKonvention legt eindeutig fest wer aller als Kind gilt:
„Kind ist jeder Mensch unter achtzehn Jahren.“
Die elementare Idee dieser Definition ist, dass Kinder menschliche Wesen sind, die Rechte und Würde besitzen. Das, was ein Kind ausmacht, ist seine Jugend und seine Verletzlichkeit. Die Konvention berechtigen Kinder, Forderungen zu stellen, und verpflichten den Staat, aber auch letztlich alle Verantwortungsträger, für das Wohl und die Entwicklung des Kindes bestmögliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
Es ist beachtlich – wenn man bedenkt, dass diese Konvention erst 2 Wochen nach dem Fall der Berliner Mauer und damit letztlich, nach der Beendigung des Kalten Krieges durchgesetzt werden konnte. Das Jahr 1989 war in vielerlei Hinsicht ein Aufbruchsjahr !
Für die bestmögliche Versorgung und echte Teilhabe aller Kinder und Jugendlichen in einem Land braucht es eine deutliche Anerkennung der Kinderrechte auf politischer und gesellschaftlicher Ebene.
Deshalb hat die Wiener Landesregierung drei Jahre nach der Ratifizierung der UN-Kinderrechts-Konvention in Österreich die Kinder- und Jugendanwaltschaft Wien eingerichtet. Sie ist ein unabhängiges Instrument um einen umfassenden Schutz für Kinder und Jugendliche zu gewährleisten und auf mögliche Missstände hinzuweisen beziehungsweise Verbesserungsstrategien zu erarbeiten.
Als Wiener Sozialsprecherin bin ich stolz darauf, dass Wien in vielen Bereichen sehr engagiert Kinderrechte durchsetzt, wie zum Beispiel
- in der Armutsbekämpfung durch die erhöhte Kinder-Mindestsicherung – die mit der türkis-blauen Sozialhilfe NEU massiv gekürzt werden soll – aber darüber reden wir noch später –
- mit dem Top Jugend Ticket, das es ermöglicht, dass junge Menschen bis 24 Jahre Schüler und Lehrlinge und Freiwillige mit 70 Euro 1 Jahr in Wien, NÖ und Burgenland alle Öffis benutzen können.
- durch den beitragsfreien Kindergarten, der jedem Kind einen kostenlosen Zugang zu elementaren Bildung ermöglicht.
- mit dem freien Zugang zu Bibliotheken, dem Gratiseintritt bis 18 in alle Wiener Museen, und dem Kulturpass
- und die offene Jugendarbeit in Parks und Jugendzentren
- und ein umfassendes Nachmittagsbetreuungsangebot in Volksschulen
Wien unterstützt auf vielen Ebenen ein für gewaltfreies Aufwachsen zum Beispiel durch die Elternberatung
- und wenn es nicht klappt hilft die Jugendwohlfahrt, die österreichweit die besten Standards hat.
- auch im Bereich politische Partizipation und Mitbestimmung hat zum Beispiel das Projekt „Werkstatt Junges Wien“ – das gerade jetzt heute Vormittag im drüben im Festsaal erste Ergebnisse präsentiert – viele Junge Wienerinnen und Wiener motiviert ihre Ideen einzubringen.
Trotzdem, wir dürfen uns nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen – der Schattenbericht des Netzwerkes Kinderrechte in Österreich zeigt eindeutig, dass es in einigen Bereichen noch Verbesserungspotential gibt:
- zum Beispiel bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingskindern,
- im Falle von Kindes-Misshandlung,
- in der ausreichenden Unterstützung von Kindern in Armut und im Jugendstrafsystem
- bei der besseren und umfassenden Integration von behinderten und chronisch kranken Kindern in Schulsystem.
Wie also geht es Kindern und Jugendlichen in Österreich? – diese Frage beantwortet der Schattenbericht des Netzwerkes Kinderrechte Österreichs in seiner Einleitung folgendermaßen
Grundsätzlich sehr gut, wenn man vergleicht, wie es Kindern und Jugendlichen in anderen Ländern der ganzen Welt geht. Hier bei uns in Österreich und Wien dürfen alle Kinder in die Schule gehen. Es ist verboten, Kindern weh zu tun, also sie zu schlagen, sie zu beschimpfen oder sie einzusperren. Kein Kind muss arbeiten gehen, damit die Familie überhaupt etwas zu essen hat.
Aber! Aber es gibt leider auch in Österreich viel zu viele Kinder, die trotzdem Gewalt erfahren, viel zu viele Kinder, die es im Winter kalt zuhause haben, viel zu viele Kinder, die kein gesundes Essen und nicht rechtzeitig die richtige Medizin und Therapie bekommen, wenn sie krank sind, viel zu viele Kinder, die keine Unterstützung bekommen, um in die Wunsch-Schule zu gehen oder später einmal den Wunsch-Beruf zu erlernen, viel zu viele Kinder, die weder in der Schule auf Projekt- oder Sportwoche noch mit ihren Familien auf Urlaub fahren oder einmal ins Kino gehen können.
Nehmen wir diese Diagnose zum Anlass alle unsere Gesetzesvorschläge und Budgetausgaben noch einmal vor der Folie der Kinderrechte zu analysieren, bevor wir ihnen zustimmen.
Nehmen wir 30 Jahre UN-Kinderrechtskonvention zum Anlass alle Maßnahmen zur Verbesserung der Stadt aus den Augen der Kinder und ihrer Zukunft zu betrachten – bevor wir sie umsetzen.
Weil eine Stadt, die gut ist für ihre Kinder, ist eine lebenswerte Stadt für uns alle.
DANKE
ad Zitat: In dieser einfachen Sprache hat das Netzwerk Kinderrechte Österreich in vergangenen Jahren zum Internationalen Tag der Kinderrechte den Status Quo der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Österreich erklärt.
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