Ein Nachbericht.
Am 15. Februar 2024 fand zum 2. Mal der kulturelle Neujahrsempfang im Wappensaal des Wiener Rathauses statt.
Die Kunst wird traditionell eher dem Schönen und Guten zugerechnet. Sie verbreitet Ideen, entwirft Visionen und – was wir gerade besonders brauchen können – kann Hoffnung geben. Wir erleben gerade eine unglaubliche Transformation: der vergangene Jänner war der wärmste seit der Messegeschichte – weltweit wurde ein Anstieg der Durchschnittstemperatur um 1,5 Grad gemessen. Mehr sollte es eigentlich nicht mehr werden – wenn wir die Welt wie wir sie heute kennen erhalten wollen. Gestern wurden die neuersten Erkenntnisse präsentiert, was passiert, wenn der Golfstrom versiegt und er ist dabei zu versiegen. – auch wir hier in Europa und wir hier in Wien, müssen uns auf massive klimatische Veränderungen gefasst machen. Das zeigt: wir haben dringenden Handlungsbedarf! Wir müssen unseren Lebensstil massiv verändern, den Ressourcenverbrauch einschränken. Wenn wir in Europa und in Nordamerika das nicht schaffen, wird es weltweit katastrophale Folgen haben: soziale wie auch ökologische. Um so eine Transformation zu schaffen, braucht es immer dringender kreative Perspektiven und Lösungen.
Es braucht Menschen, die Visionen entwickeln können und positive Zukunftsbilder zeigen. Es braucht Hoffnung. Und es braucht konkrete Ideen wie ein gutes Leben für möglichst viele erreichbar ist! Das Ziel des Nachmittages ist das Thema Nachhaltigkeit mit unterschiedlichen Sinnen erfahrbar zu machen.
Ziel ist es zwei wesentliche Dimensionen der Nachhaltigkeit herauszuarbeiten: Die soziale Nachhaltigkeit auf der einen Seite heraus zu arbeiten, also wie schaffen wir gute Arbeitsbedingungen, faire Bezahlung und Vereinbarkeit für KünstlerInnen und Künstler , und wie schaffen wir gleichzeitig auch eine ökologische Nachhaltigkeit, im Sinne von Ressourcenschonung.
Beide Dimensionen hängen eng miteinander zusammen – nur wenn ökologische Veränderungen mit sozialen Veränderungen einhergehen, können wir sinnvolle Wege aus der aktuellen Krise finden.
Transformation braucht immer Solidarität!
Wir wollen heute nicht nur vom ökologischen Fussabdruck reden – also von all dem Ressourcenverbrauch, der schon stattgefunden und den wir dringend verkleinern müssen.
Wir wollen auch hoffnungsvoll das Konzept des ökologischen Handabdrucks vorstellen: Der ökologischen Handabdruck hat einen solidarischen Aspekt. Er steht für die Aktivitäten einer Person, die nicht nur die eigenen Umweltauswirkungen verringert, sondern auch die von anderen Personen.
Der Handabdruck besagt, dass wir alle – auf unterschiedliche Weise – wirksam werden können. Der Handabdruck zeigt auch auf, was schon gelungen ist. Und diese Handlungsfähigkeit macht Hoffnung!
Für diesen nachmittag habe ich zu 2 Podien geladen. Geladen wurden Expert:innen aus Theater, Tanz , Performance, bildender Kunst, Musik, Film und den
Fachvertretungen diskutierten in zwei Podiumsrunden Perspektiven und Lösungen der sozialen und der ökologischen Nachhaltigkeit.
Darüber hinaus konnte das Thema Nachhaltigkeit mit der Wander-Ausstellung WASTE-ART auch sinnlich zugänglich gemacht werden.
150 Teilnehmer:innen aus der Kunst- und Kulturszene spricht für großes Interesse an dem Thema und für dessen Brisanz im heutigen kulturpolitischen Diskurs.
Im ersten Podium „Handabdruck stärken – Soziale Nachhaltigkeit“
diskutierten Interessenvertreter:innen und Expert:innen wie Yvonne Gimpel (IG Kultur), Veronika Steinböck (PAKT & Kosmos Theater), Ivana Pilic (d/arts – Projektbüro für Diversität und urbanen Dialog), Katharina Zabransky & Regina Erben-Hartig (DanceAbility), Sithara Pathirana (Klima-Biennale Wien) und Sabine Gretner (Superar) über die vielfältigen Herausforderungen für mehr Nachhaltigkeit im Kulturbetrieb.
Diese reichen von Fair Pay und damit einhergehende angepasste Fördermittel, Niederschwelligkeit sowie Barrierefreiheit von Kunst- und Kulturangeboten, kulturelle Bildung im Kinder- und Jugendalter sowie die Forderung nach mehr Diversität in Strukturen von Kunst- und Kulturorganisationen. Moderiert wurde diese Diskussionsrund von Fariba Mosleh. Wie viel noch im Sinne
einer Gleichstellung und Solidarität zu tun ist, zeigte sich schon in der Vorbereitung zur
Veranstaltung: damit Katharina Zabransky, eine DanceAbility Trainerin und Aktivistin mit ihrem E-Roll, auf der Bühne im Podium sprechen kann, musste eine eigene Rampe angemietet werden. Das Wiener Rathaus besitzt bis dato keine flexiblen
Rampen, um Menschen in Rollstuhl das Erklimmen der Bühne zu ermöglichen.
Das Podium zum zweiten Thema „Fußabdruck verkleinern – ökologische Nachhaltigkeit“ setze sich aus Aktivist:innen und Nachhaltigkeits-Expert:innen zusammen.
Es diskutierten Maria C. Holter (Artists for future), Jonathan Gabler (Music declares
emergency Austria), Wiebke Leithner (Burgtheater; Nachhaltigkeits-beauftragte),
Claudius Schulze (Klima-Biennale Wien), Angelika Fitz (AZW, care + repair) sowie Claudia Wohlgenannt (Filmbranche Plan C, green producing) über die Möglichkeiten einer nachhaltigeren Kunst- und Kulturproduktion. Was heute schon geschafft wird, wo die Herausforderungen liegen, und was gebraucht wird, um diese für Zukünftige Produktionen bestmöglich zu meistern. Schwerpunkt der Fragen von Barbara Neundlinger war dabei z.B. die Möglichkeiten von Ressourcenschonung durch Mehrfachnutzung im Ausstellungbetrieb und bei Bühnenbildern und Kostümen, Tauschbörsen für Requisiten, Second-Hand Nutzung bereits im Umlauf befindlicher Materialien. Aber auch positive Modelle wie das Greenproducing, das Filmfirmen mit spezifischen Incentives zu nachhaltigeren Produktionen motiviert. Auch Modelle für Grünere (Musik)Festivalkultur wurden vorgestellt.
Das künstlerische Rahmenprogramm war so vielfältig wie die Diskutant:innen in den Panels und unterstrich die Intention der Veranstaltung. Ziel war das Thema Nachhaltigkeit auch sinnlich erfahrbar zu machen.
Kuratorin und Künstlerin Ina Loitzl hat einen Teil der Ausstellung
WASTE ART, die sie gemeinsam mit verschiedenen Künstler:innenrealisiert hat, präsentiert. WASTE ART stellt die Schönheit der Objekte in den Fokus und betont die
Bereitschaft zur materiellen Wiederbearbeitung. Künstlerinnen und Künstler haben seit jeher mit Trash, Abfall, Second-Hand- Materialien gearbeitet – sei es aus
finanziellen, praktischen Gründen, oder dem Anlass heraus, sich von der „hohen Kunst“
abzuwenden und zu distanzieren. Besonders in den letzten Jahrzehnten entwickelten sich zahlreiche Bewegungen wie Recycling, Up-Cycling, Zero Waste, etc. mit dem Ziel Dinge haltbarer zu machen und dem überbordenden Konsum und dem Wegwerfhabitus unserer Zeit entgegenzuwirken. Nikki Schuster arbeitet in ihren Werken mit Müll von
der Straße und hat daraus surreale Figuren gebaut. Gudrun Lenk-Wanes Arbeit besteht aus Hangings, die aus gesammeltem Müll bestehen. Irene Wölfl flechtet in ihrer Kunst
Plastikplanen und Ina Loitzl selbst hat sich mit dem Thema Plastik und Ozeane intensiv künstlerisch auseinandergesetzt.
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